Mediationsverfahren
Bei der Mediation handelt es sich um ein bewährtes Verfahren, professionell Konflikte zu lösen. Der Mediator führt dabei die Parteien (quasi wie ein Lotse) durch verschiedene Stufen oder Phasen des Mediationsprozesses:
Stufe 1:
Einführung in die Mediation
Die Rahmenbedingungen für die Mediation werden besprochen und geklärt. Parteien und Mediator schließen den Mediationsvertrag, der Grundlage der gemeinsamen Arbeit ist.
Stufe 2:
Themen- und Informationssammlung
Die Parteien stimmen die Themen ab, die in der Mediation besprochen werden sollen.
Die Daten und Informationen, die beide Parteien zur Klärung einzelner Konfliktfelder sowie zur Verhandlung benötigen, werden gesammelt und ausgetauscht.
Stufe 3:
Konfliktbearbeitung
Es wird herausgearbeitet, welche Interessen und Bedürfnisse hinter den jeweiligen Positionen der Parteien stehen. Ziel ist es, im Rahmen dieser Stufe sowohl die eigenen Interessen –besser- zu verstehen als auch die des anderen. Hierdurch wird der Blick auf Lösungsmöglichkeiten erweitert, die allein aus den jeweiligen Positionen der Parteien heraus nicht angedacht werden würden.
Stufe 4:
Lösungsvorschläge (Optionen)
Ideen und Lösungsvorschläge werden gesammelt, anschließend bewertet und auf praktische Umsetzbarkeit geprüft.
Stufe 5:
Verhandeln
Die Parteien tauschen sich über die Vorschläge aus und verhandeln über eine vorläufige Lösung.
Stufe 6:
Vereinbaren
Vorläufige Lösungen werden daraufhin überprüft, ob sie endgültig vereinbart werden können und sollen. Die gefundenen Lösungen werden rechtsverbindlich vereinbart.
Bei allem gilt der Grundsatz „Gewinnen durch Mediation“
Bei einer Mediation sollen im Gegensatz zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung beide Seite gewinnen. Um zunächst sog. Grabenkämpfe oder die Eskalation eines Konflikts beenden oder verhindern zu können, ist es die Aufgabe des Mediators, eine Gesprächsatmosphäre herbeizuführen, in der von Schuldzuweisungen, verbalen Angriffe und einem Verurteilen der Gegenseite abzusehen ist. Durch das Einsetzen entsprechender Kommunikationstechniken von Seiten des Mediators (aktives Zuhören, Perspektivenwechsel, Strukturieren, Rollenspiele, Metakommunikation, Reframing u.a.) sollen im weiteren Verlauf der Mediation kreative Konfliktlösungsmöglichkeiten erarbeitet werden können. Der Blickwinkel der Parteien soll erweitert werden, um es ihnen zu ermöglichen, neue, bisher nicht für möglich gehaltene Lösungswege selbständig oder auch mit aktiver Unterstützung des Mediators zu entwickeln. Hiervon sollen beide Parteien profitieren. Ein Win-Win-Ergebnis – siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Win-Win – ist dabei anzustreben. Das einflussreiche Harvard-Konzept stellt die Methode des sachbezogenen Verhandelns dar, mit dem Ziel einer konstruktiven und friedlichen Einigung in Konfliktsituationen, die für beide Konfliktparteien von Vorteil ist.
Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Streit um die Orange: Zwei Parteien streiten sich um eine Orange. Bekommt die eine Seite einen größeren Anteil, so verliert die andere Seite entsprechend. Häufig einigt man sich darauf, die Orange in der Mitte zu teilen und erachtet dies als faire und gerechte Lösung. In einer vertrauensvollen und wertschätzenden Gesprächsatmosphäre käme jedoch zu Tage, dass die eine Person gerne das Fleisch der Orange für einen Fruchtsalat nutzen möchte, während der andere mit der Schale einen heißen Orangen-Tee kochen möchte. Folglich bekommt der eine das Fruchtfleisch, der andere die Schale und beide fühlen sich als Gewinner. So konnte eine klassische Win-Win-Situation geschaffen werden.
Analog zu diesem Beispiel ist es auch bei Konflikten im Familienrecht und im Erbrecht Ziel einer Mediation, eine Problemlösung im Sinne eines Win-Win-Ergebnisses zu erreichen. Insbesondere bei Konflikten innerhalb der Familie ist es aber mitunter von großem Vorteil für alle Beteiligten, wenn auch die tieferliegenden Konflikte zwischen einzelnen Parteien nachhaltig gelöst werden können.
Die Autoren Montada/Kals unterscheiden zwischen einer Beendigung des Konflikts und einer Konfliktbeilegung. Die Beendigung eines Konflikts kann auch die Beendigung einer Beziehung oder Revanchegelüste beinhalten. Eine Erbstreitigkeit kann z.B. mit den Worten beendet werden: „Okay, Du bekommst das Haus der Eltern – so wie Du es vorschlägst. Ich will mit Dir aber nichts mehr zu tun haben, und irgendwann zahle ich es Dir heim“. Der Konflikt um das Erbe der gemeinsamen Eltern wurde somit außergerichtlich und einvernehmlich beendet, die Tiefenstruktur des Konflikts bleibt jedoch unberührt. Eine Beilegung des Konflikts geht hingegen noch einen Schritt weiter: Die Beziehung der Parteien zueinander kann auf eine neue, bessere Grundlage gestellt werden, die von erhöhter gegenseitiger Wertschätzung und gesteigertem Vertrauen zueinander geprägt ist. Ein eventuell über Jahrzehnte hinweg belastetes zwischenmenschliches Verhältnis zwischen Geschwistern, das der eigentliche Anlass für die Erbstreitigkeit war (Tiefenstruktur des Konflikts), kann durch eine erfolgreiche Mediation nachhaltig verbessert werden. Mit Hilfe einer Mediation unter Einbeziehung von Emotionen, Kreativität sowie Fragen nach Werten und Empfindungen für Gerechtigkeit erhalten die Parteien eine Gelegenheit, sich persönlich weiterzuentwickeln und Beziehungen (besonders innerhalb der Familie) zu verbessern. Durch Mediation kann ein Mensch neue Kompetenzen gewinnen, die ihn im Alltag bereichern können. Folglich bezieht sich der Gewinn durch eine Mediation nicht notwendigerweise nur auf einen rein materiellen Gewinn. Beide Parteien können auch als Mensch gewinnen.