BGH zur Geltendmachung von Mehrbedarf beim Kindesunterhalt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss (XII ZB 282/23) vom 24. April 2024 über die Voraussetzungen bei der Geltendmachung von Mehrbedarf für Kindesunterhalt entschieden. Die wesentlichen Punkte hierzu:

Hintergrund: Ein Kind, vertreten durch seine Mutter, forderte von seinem Vater rückständigen Mehrbedarf für den Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis zum 31. August 2021. Der Vater zahlte zunächst auf Grundlage einer außergerichtlichen Einigung Kindesunterhalt und verpflichtete sich später zur Zahlung nach der sechsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. Die Mutter verlangte aber höheren Unterhalt und Mehrbedarf für die Betreuungskosten in einer Ganztagsschule.

Erstinstanzliche Entscheidung: Das Amtsgericht sprach dem Kind insgesamt 1.728 € zu, davon 588 € für Mehrbedarf. Das Oberlandesgericht reduzierte diesen Betrag auf 1.086,50 €, wovon nur 171,50 € als Mehrbedarf für die Zeit ab April 2021 anerkannt wurden. Für den Zeitraum vor April 2021 lehnte es den Anspruch auf Mehrbedarf ab, weil die Auskunftsaufforderung der Mutter nicht spezifisch genug gewesen sei.

Entscheidung des BGH: Der BGH hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts teilweise auf und verwies die Sache zurück. Der Senat entschied, dass eine allgemeine Aufforderung zur Auskunft über Einkommen und Vermögen zum Zweck der Geltendmachung von Kindesunterhalt ausreicht, um auch den Anspruch auf Mehrbedarf rückwirkend geltend zu machen. Es ist nicht erforderlich, dass in der Auskunftsaufforderung explizit zwischen Elementarunterhalt und Mehrbedarf unterschieden wird.

Begründung: Der BGH stellte klar, dass die gesetzliche Regelung in § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verlangt, dass der Mehrbedarf ausdrücklich in der Auskunftsaufforderung erwähnt wird. Ein allgemeines Auskunftsverlangen zum Zweck der Geltendmachung von Kindesunterhalt ist ausreichend, um die Forderung des gesamten Unterhaltsanspruchs, einschließlich des Mehrbedarfs, zu ermöglichen. Nach einhelliger Auffassung dient die Vorschrift dem Schutz des Unterhaltspflichtigen vor hohen Nachforderungen. Ab dem Zugang einer Auskunftsaufforderung wird der Unterhaltspflichtige aber nicht mehr als schutzwürdig angesehen, weil er von diesem Zeitpunkt an konkret damit rechnen muss, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden, und hierzu gegebenenfalls entsprechende Rückstellungen bilden kann und muss.

Folgen: Die Entscheidung des BGH bedeutet, dass Eltern, die für ihre Kinder Unterhaltsansprüche geltend machen, nicht mehr detailliert aufteilen müssen, welche Bestandteile des Unterhalts (Elementarunterhalt und Mehrbedarf) sie in ihrer Auskunftsaufforderung an den Unterhaltspflichtigen benennen. Es genügt eine allgemeine Aufforderung zur Auskunft über Einkommen und Vermögen, um rückwirkend auch den Mehrbedarf einfordern zu können.

Mehrbedarf beim Kindesunterhalt bezieht sich auf besondere Aufwendungen, die regelmäßig und zusätzlich zu den allgemeinen Unterhaltskosten anfallen, aber nicht in den üblichen Tabellenbeträgen der sog. Düsseldorfer Tabelle enthalten sind. Diese Mehrkosten sind vorhersehbar und kalkulierbar und fallen über einen längeren Zeitraum an. Beispiele für Mehrbedarf können sein:

Kosten für Schulbildung: Schulbücher, Nachhilfeunterricht oder spezielle Schulaktivitäten.

Kinderbetreuung: Gebühren für Kindergarten, Tagesmutter oder Hort.

Gesundheitskosten: Regelmäßige Kosten für notwendige Therapien oder Behandlungen, die nicht von der Krankenkasse abgedeckt werden.

Freizeitaktivitäten: Kosten für Sportvereine, Musikunterricht oder andere regelmäßige außerschulische Aktivitäten.

Im Gegensatz zum Sonderbedarf, der plötzlich und unvorhersehbar anfällt (z.B. eine dringende Operation oder eine einmalige Klassenfahrt), ist Mehrbedarf planbar und tritt regelmäßig auf. Eltern müssen den Mehrbedarf anteilig entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit tragen.

Für die Geltendmachung von Mehrbedarf ist es wichtig, dass der unterhaltspflichtige Elternteil rechtzeitig und detailliert über die anfallenden Kosten informiert wird, damit er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Rücklagen bilden kann.

Zu den häufig sehr komplexen Einzelheiten beraten wir Sie gern!

 

Dr. Magdalena Dittmann

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

 

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