OLG Karlsruhe: Keine zweite Vaterschaftsanfechtung trotz BVerfG-Entscheidung

Hintergrund

Mit Beschluss vom 28. August 2024 (Az. 2 WF 75/24) hat das Oberlandesgericht Karlsruhe eine klare Grenze für die erneute Anfechtung einer rechtlichen Vaterschaft gezogen – auch wenn sich die verfassungsrechtliche Bewertung zwischenzeitlich geändert hat.

Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage: Kann ein rechtskräftig abgeschlossenes Abstammungsverfahren wieder aufgenommen werden, wenn sich nachträglich eine neue rechtliche Bewertung ergibt – etwa durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts?

Der Fall

Ein leiblicher Vater hatte zunächst die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes angefochten. Sein Antrag wurde jedoch mit Verweis auf eine bestehende sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde nahm der Antragsteller später zurück, womit der Beschluss rechtskräftig wurde.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2024 (1 BvR 2017/21), das die Bedeutung der sozial-familiären Beziehung im Anfechtungsrecht neu bewertete, versuchte der leibliche Vater das Verfahren wieder aufzurollen. Er beantragte die Abänderung der ursprünglichen Entscheidung.

Die Entscheidung des OLG

Das OLG Karlsruhe lehnte den Antrag ab. Die Begründung: Eine verfassungsrechtlich neue Bewertung ist keine „neue Tatsache“, die eine Durchbrechung der Rechtskraft rechtfertigen würde. Die Entscheidung des BVerfG könne also nicht dazu führen, ein bereits abgeschlossenes Verfahren nochmals zu eröffnen – selbst wenn die damalige Entscheidung nach heutigen Maßstäben anders ausfallen könnte.

Außerdem stellte das Gericht klar: Auch ein konkreter neuer Lebenssachverhalt – etwa der Wegfall der zuvor bestehenden sozial-familiären Beziehung – wäre nur unter engen Voraussetzungen geeignet, eine erneute Anfechtung zu rechtfertigen. Im vorliegenden Fall lag ein solcher Sachverhalt nicht vor.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung betont die große Bedeutung der Rechtskraft im Familienrecht, insbesondere im sensiblen Bereich des Abstammungsrechts. Auch nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bleibt eine rechtskräftige Entscheidung grundsätzlich bestehen, wenn sie nicht explizit aufgehoben wurde.

Das OLG verweist ausdrücklich auf die sogenannte „Rückschlagsperre“ des § 79 Abs. 2 BVerfGG: Bereits rechtskräftige fachgerichtliche Entscheidungen bleiben in Kraft – auch wenn sich später die zugrunde liegende Rechtslage ändert.

Fazit

Die OLG-Entscheidung verdeutlicht, dass Vaterschaftsanfechtungen nur unter ganz engen Voraussetzungen erneut möglich sind. Rechtskraft schützt nicht nur formell abgeschlossene Verfahren, sondern auch die gewachsenen sozialen Strukturen innerhalb von Familien. Eine Korrektur kann – wenn überhaupt – nur durch neue, objektiv veränderte Umstände oder durch den Gesetzgeber erfolgen.

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